Ein Erfahrungsbericht
„Ich bin nicht genug“ – Warum glaube ich das, auch wenn ich weiß, dass das Quatsch ist?
Als Kind fühlte ich mich lange Zeit fantastisch. Ich wusste insgeheim immer, ich bin toll, ich bin genug, Leute mögen mich und ich mag sie. Diese grundsätzliche Überzeugung, mit der wir alle auf die Welt kommen, es sei denn, wir erleben schon im Mutterleib Dinge, die uns emotional beeinträchtigen, gab mir immer das Gefühl, sicher und geliebt zu sein. So stärkte sie mein Vertrauen ins Leben. Irgendwann war das leider nicht mehr so, aber ich wusste nicht warum und was ich dagegen tun kann. Das Gefühl manifestierte sich auf verschiedene Art und Weise.
Ich verglich mich ständig mit anderen, vor allem anderen Mädchen und Frauen, ich kritisierte mich regelmäßig, ich entwickelte Angst vor Leuten zu sprechen, wo ich doch in der Grundschule noch liebend gern auf der Bühne stand, ich achtete nur noch darauf, was ich kann bzw. was ich vor allem nicht kann. Kurzum ich stellte meinen Wert total in Frage, weil ich ihn nur noch unter dem Aspekt „Was ich tue“, „Was ich kann“ betrachtete und überhaupt nicht mehr unter dem Aspekt „Wer bin ich als Mensch?“, „Wie wertvoll bin ich einfach dadurch, dass es mich gibt?“ Und da es immer jemanden gibt, der irgendwie besser ist als man selbst, kannst du dieses Spiel einfach nicht gewinnen.
In der Tat dauerte es bei mir viele, viele Jahre, bis ich das mir ursprünglich so vertraute Gefühl, ich bin genug, wieder verinnerlichte. Denn erst mit meiner Ausbildung bei Marisa Peer, bei der ich ihre „Rapid Transformational Therapy“ erlernte und persönlich erfuhr, wusste ich endlich, wie unser Unterbewusstsein arbeitet und wie schnell sich in der Kindheit negative Überzeugungen im Unterbewusstsein einbetten. Zum Glück erfuhr ich aber auch, wie man diese negativen Überzeugungen schnell, oft in einer Sitzung, wieder auflösen und durch neue, für sich kraftvolle ersetzen kann. Dieser Prozess gleicht dann tatsächlich einer Transformation – im wahrsten Sinne des Wortes.
Unsere größten, uns negativ beeinflussende Überzeugungen, die wir meistens schon in der frühen Kindheit entwickeln, sind:
• Ich bin nicht genug.
• Ich bin hilflos.
• Ich bin nicht liebenswert.
• Ich bin anders.
• Etwas, zum Beispiel Liebe, Anerkennung, Geld, steht mir nicht zur Verfügung.
Dabei ist das Gefühl „nicht genug zu sein“ das mit Abstand größte, weitverbreiteste Leiden aller Menschen, da es so facettenreich ist: Nicht schön genug, nicht gut genug, nicht schlau genug, nicht schnell genug, groß genug, stark genug usw. Überzeugungen wie „Ich bin nicht liebenswert“, „Ich bin anders“, „Ich bin hilflos“ sind, wenn man diese runterbricht, eine Variante davon.
Im tiefsten Kern geht es immer wieder um das Gefühl nicht genug zu sein, dem Leben nicht gewachsen zu sein. Dadurch entsteht die Angst vor Ablehnung, die Angst, nicht dazuzugehören. Und die ist mit das Schlimmste, was man als Kind empfinden kann, da Kinder allein nicht überleben können.
Wie entsteht so eine Überzeugung und was macht die mit dir?
Es braucht nicht viel dazu, dass wir als Kinder das Gefühl bekommen, nicht genug zu sein. Bei mir war es zum Beispiel so, dass mein Vater immer wieder betonte, dass meine Schwester beim Turnen besser sei. Da wir jeden Abend mit ihm nach der Arbeit herumturnten , musste ich dieses so oft hören und das tat echt weh, da ich so gern turnte und auch nicht verstand, warum er das immer so betonte. Natürlich glaubte ich es dann irgendwann. Dummerweise bezog ich es als Kind auf meine ganze Person und nicht nur auf das Turnen. Kindern können bei Kritik noch nicht differenzieren und abstrahieren. Das Gehirn ist dazu noch gar nicht in der Lage. Andere Menschen wiederum erfahren vielleicht nicht direkt Kritik, aber erhalten zum Beispiel nicht die Menge an Aufmerksamkeit und Liebe von ihren Eltern und/oder Geschwistern, die sie sich gewünscht und gebraucht hätten und entwickeln daraus die Überzeugung, nicht gut und genug zu sein.
Jede Überzeugung, jeder Glaube entsteht dadurch, dass man etwas Bestimmtes immer und immer wieder denkt, bis es sich automatisiert und in deinem Unterbewusstsein abspeichert.
Und das geschieht bei Kindern bis sie ca. 7 Jahre alt sind automatisch, da der rationale Verstand sich dann überhaupt erst entwickelt. Diese Überzeugungen kontrollieren unsere Gefühle, diese wiederum unsere Handlungen, die wiederum unsere Persönlichkeit prägen und letztendlich unser Leben bestimmen, weil wir das Leben immer durch den Filter unserer Erfahrungen wahrnehmen und ensprechend reagieren.
Wenn Kinder negative Gefühle nicht ausdrücken können oder dürfen, manifestieren sich diese früher oder später auf die eine oder andere Weise, entweder emotional oder körperlich, oft auch auf beiden Ebenen. Solange sie nicht in Tränen oder per Worten ausgedrückt werden, bleiben Gefühle im System. Und da ich nie über meine Gefühle sprach, war ich als Teenager deshalb öfters bedrückt, nahm vieles schwer und hatte bis noch letztes Jahr große Schwierigkeiten, vor anderen zu sprechen, aus Angst vor Ablehnung und Kritik. Ich bekam immer hektische Flecken beim Sprechen. Körperlich entwickelte ich einen kalten Knoten in der Schilddrüse. Außerdem entstand in mir so ein Gefühl der inneren Leere, obwohl ich eigentlich die ganze Zeit ein schönes Leben hatte, aber ich konnte das, was ich hatte, nicht wirklich schätzen.
Jetzt vergleiche ich mich nicht mehr mit anderen, weil ich weiß, dass ich mehr als genug bin. Ich achte mich jetzt persönlich sehr und weiß, dass ich als Mensch an sich wertvoll bin und nicht, weil ich irgendetwas besonders gut kann. Und es gibt nichts Wichtigeres als Selbstachtung und –liebe, denn sonst bleibst du dein Leben lang von anderen abhängig.
Als Kind können wir diese Abhängigkeit nicht vermeiden, aber als Erwachsener ja.
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