Kontrolle zu haben passt in unser System, ja das System baut auf Regeln, Kontrolle und Steuerung auf.
Gut zu beobachten ist das im Verkehr: deutliche Grenzen und Signale bewirken Sicherheit, machen, dass es läuft durch gute Koordination.
Ohne sie kann Chaos entstehen, fürchterliche Unfälle oder wütender Stillstand mit Gehupe von allen Seiten. Keine Kontrolle zu haben ist gefährlich. Je mehr, desto größer die Energien sind, die Kontaktflächen miteinander haben – oder nicht haben dürfen!
Selbstkontrolle: Wie aussen, so innen
Im menschlichen Organismus werden die Lebensfunktionen und Kräfte von einem Steuersystem kontrolliert, das grob gesagt aus Gehirn, Nerven- und Hormonsystem besteht. Sinnesorgane liefern den Input über die Situation, der wir uns anpassen müssen, oder die wir nach unseren Bedürfnissen zu verändern suchen. Der Erfolg dieser Anpassung gibt uns Feedback und erhält den Fluss oder die Homöostase, und damit unsere Zufriedenheit und Gesundheit. Der Sinn eines Steuersystems im lebendigen Organismus ist also die weitgehende Selbstkontrolle!
Damit man nicht wie die Billardkugel über den Pool schlittert und nur reagiert, hat der Mensch die Möglichkeit, kognitive Prozesse wie Erinnerung und Lernvorgänge zu nutzen, um Gefahren vorzubeugen und Ziele zu erreichen. Diese Fähigkeit wird dem Großhirn und besonders den Frontallappen zugeschrieben, welche beim Menschen besonders ausgeprägt sind. Wir identifizieren uns mit unserem Intellekt, unserer Kreativität und unserem freien Willen, und messen menschliche Errungenschaften an diesen Werten. Sie sind es, die uns zu gottgleichen, schaffenden Wesen machen. Stolz erfüllt mich vor einer eigenen Leistung, einer Erfindung, dem Durchschauen und Darlegen eines Systems – ja auch dem Schreiben dieses Blogartikels 🙂
Was mich nicht mit Stolz erfüllt, ist ein Test der Willensstärke – wenn ich mich zu etwas zwingen soll.
Willensstärke in der Forschung
Man fand in Studien über die Willensstärke (der bekannte Marshmallow-Test und Studien mit College-Studenten) heraus, wann und warum Selbstkontrolle nicht funktioniert.
Beobachte in dem Video, was der Junge am Ende macht. Was könnte man aus diesem Verhalten schließen?
Die Kinder aus ärmeren Verhältnissen schnitten schlechter ab, was ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Verlockung schneller Befriedigung angeht. Sie kommen aus dem Überlebensmodus, wo es auf unmittelbares Erreichen des Wertes ankommt!
Bei den Studenten, deren Stresslevel und Strategien auf alltägliche Reize und Verlockungen über eine längere Zeit hinweg verfolgt wurde, stellte sich heraus, dass bei internen Konflikten, wie dem Anblick von Schokolade oder Keksen bei gleichzeitigem Wunsch zum Abnehmen (also dem Bedarf an Selbstkontrolle), die Erfolgsbilanz nicht sehr hoch war. Die Studenten, die häufig solche Kämpfe mit dem „inneren Schweinehund“ ausfochten, erreichten nicht nur ihre Ziele nicht besser, sondern fühlten sich zusätzlich noch ausgelaugt durch diese Zwiespälte. Was kurzfristig eine gute Sache ist, die Eskalation verhindern kann, erweist sich auf die längere Dauer als unzufriedenstellend und ungesund. Die Studenten, die eine gute Erfolgsbilanz hatten, Verlockungen zu widerstehen, hatten diese inneren Kämpfe gar nicht – sie brauchten also auch keine Selbstkontrolle!
Hungern versus Fasten
2 Menschen, Greta und Kati, wollen leichter werden. Greta versagt sich Genüsse, isst nur die Hälfte, muss auf Zucker verzichten, gönnt sich nicht die Sahne auf dem Kaffee, macht eine Hungerkur. Ihr Körper geht allein durch die Assoziation von Knappheit und Hunger in den Überlebensmodus, und dieser lässt ihn das Gebotene noch effizienter verwerten. Greta bleibt auch im steten quälenden Hungergefühl, das ihre Energiespeicher bereit zur Aufnahme hält. Sie fühlt sich missgelaunt, geschwächt und anfällig. Nach Beendigung der Maßnahme ist das Knappheits-Effizienzprogramm installiert und Nahrung wird noch besser verwertet als zuvor.
Kati macht ein Ritual daraus, ihrem Körper etwas Gutes zu tun und ihn durch Fasten zu reinigen. Sie nimmt sich Zeit dafür, das mit vielen schönen Dingen zu verbinden, wie luxoriös baden, meditieren, lesen, Spaziergänge. Bei denen stellt sie fest, dass ihr Geruchssinn sich verfeinert. Kati freut sich über all die kleinen Veränderungen, die sie an sich und der Umwelt wahrnimmt. Nach dem ersten Tag verspürt sie kaum noch Hungergefühle, denn sie ist ganz in einen neuen Modus eingestiegen. Kati findet es toll zu spüren, dass ihr Körper und ihr Geist sich auch ohne so viel Essen wohl fühlen können. Die Leichtigkeit, die sie auf beiden Ebenen kennenlernt, nimmt sie mit als neue Orientierung, als sie die Fastenkur abschließt.
Unser Körper reagiert auf die Bewertung, und die ist geprägt durch das generelle Sicherheits- und Versorgtheitsempfinden, durch die Fantasie, Begeisterungsfähigkeit, durch die Aufmerksamkeit, Neugier und Vertrauen.
Worauf es wirklich ankommt,
lernen wir von Menschen mit hoher Effizienz und Körperbeherrschung: der Seiltänzer denkt nicht an den Abgrund unter ihm. Er fokussiert und verschmilzt mit seinem Ziel wie mit dem Seil unter den Füßen, und überwindet damit Zeit und Raum. Alles andere wird dabei unwichtig. Jede/r von uns kennt den Zustand, wo man so vertieft in eine Aktivität ist, dass man alles andere vergisst und einfach „im Fluss“ ist?! So wie Kinder, die spielend entdecken. Auch wenn das für die meisten nicht der Zustand ist, in dem man den größten Teil des Tages verbringt: von spielenden Kindern können wir lernen! Intrinsische Motivation, also wenn das „Gute“, das Zielführende auch Spaß macht, hat viel bessere Chancen, dass ihr kein innerer Schweinehund entgegen steht.
Ob der Fokus auf der Versuchung liegt (der Schokolade) oder auf dem nächsten Ziel daneben, spielt auch eine Rolle. Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. So wie der Seiltänzer nicht an den Abgrund denkt, und der Autofahrer nicht an den Graben: vielmehr nutzen sie den Input aus Umgebung und Vorstellung, um den Körper seine Aktionen von selbst perfekt einstellen zu lassen.
Menschen mit „müheloser Selbstkontrolle“ haben Gewohnheiten installiert, die ihnen helfen. Für mich gehört zB der morgendliche Lauf einfach dazu, er macht dass ich mich fit und gut fühle. Auch für frisches Essen zu sorgen ist ein No-Brainer dort, wo ich lebe, und sogar regelmäßiges Brotbacken neben der Arbeit lässt sich organisieren und ist keine Mühe mehr. Damit will ich nur darstellen, dass man „gute Gewohnheiten“ etablieren kann, indem man sie als Routinen einfach und regelmäßig macht – welche das im Einzelfall auch sein mögen.
Zusammenfassung:
Die wissenschaftlichen Studien und die eigenen Erfahrungen bestätigen Designprinzipien der Permakultur! Die gewünschten Aktivitäten sollen
- einfach und unkompliziert gestaltet werden
- sich in gewohnte Abläufe integrieren lassen
- einen Mehrwert bringen (Spaß, Gemeinschaft…)
- von der Umwelt unterstützt werden
- eine Vision oder ein Vorbild in der Natur modellieren
- eigene Neigungen, Talente und Bedürfnisse einbeziehen
Wenn man in der Planung auf diese Faktoren achtet, kann die „Verkehrskoordination“ des Lebens unaufwändig werden, weil die Widerstände klein sind und Motivation von innen kommt.
Erstveröffentlichung im META-Evolution Blog
Bildquelle: Wikimedia Commons / User böhringer: https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3A%C3%96sterreichische_Bundespolizei_02.jpg